13
Jun
2008

Moral

Ich bin kein moralischer Mensch. Ich finde, Moral ist was für Leute, die nicht selbst denken können. Der Moral bedienen sich die Leute, wenn sie etwas brauchen, das ihnen sagt, was sie zu tun und zu unterlassen haben oder wenn die einzige andere denkbare Begründung wäre, dass Gott es so will. Ausserdem kann, wer sich an die gängige Moral hält, zumindest nicht der Böse sein. Hat sich ja nur korrekt verhalten.

Heißt das, dass ich ein Arschloch bin, wenn ich das nicht tue? Ich bin keine Freundin dieser Einteilungen. Niemand ist ein schlechter Mensch. Jeder handelt so, dass es den für ihn größten Nutzen bringt und manche sind sich dessen bewusst, andere nicht so sehr. Für viele Menschen scheint es sehr wichtig zu sein, sich weitgehend an eine Art gängige Moral zu halten. Wenig verwunderlich, denn die sozialen Konsequenzen für unmoralisches Verhalten können mitunter drastisch sein. Mir ist das meistens egal, ich lebe in einem kleinen Utopia, in dem nicht vorausgesetzt wird, dass ja eh alle gleich denken, weil das "nunmal so ist", sondern wo individuelle Bedürfnisse, Kompromisse und Konflikte verhandelt und ausgemacht werden. Und die weichen zum größten Teil sehr stark von angeblich Ur-Menschlichem ab.

Jetzt hab ich einen jungen Mann kennen gelernt, der mir außerordentlich gut gefällt und der auch ein gewisses Interesse an mir zu haben scheint. Einerseits bin ich geneigt, zu denken "warum soll ich mir hier die großen Gedanken machen? Ich könnte ja auch davon ausgehen, dass eine offene Beziehung normal ist - ist sie für mich ja", andererseits fürchte ich: das ist so leicht nicht. Die Erfahrung zeigt, dass hierzulande davon auszugehen ist, dass die meisten Menschen mono denken und das auch von ihrem Gegenüber erwarten.

Und hier ist das Problem: einerseits weiß ich aus Erfahrung, dass Menschen, die noch nie über praktische Alternativen zur Monogamie nachgedacht haben, ihre Zeit brauchen, sich damit anzufreunden. Überfordern heißt halt auch oft: verschrecken. Andererseits kommt es mir - auf gut österreichisch ausgedrückt - wie eine ziemliche "Arschlochaktion" vor, mit ihm etwas anzufangen, ohne ihm gleich genug relevante Infos über mich auf den Tisch zu legen, damit er eine solide Entscheidungsgrundlage hat. Und was ist jetzt besser?

Edith kopiert hier noch schnell rein, was ich auf Larus Kommentar geantwortet hab:

Was gut und böse angeht... ja mit ihm und mir _direkt_ hat das in der Tat weniger zu tun. Muss ich hier jetzt öffentlich zugeben, dass es mir auch schon nimmer wurscht is, was irgendwelche Leute über mich denken? Nicht unbedingt, aber die Gedanken von Freunden über mich und mein Leben haben einen weit größeren Einfluss auf die Gedanken meines Zielsubjekts (;-)), als mir das lieb ist. Und erfahrungsgemäß hat fast jeder irgendwo einen Moralapostel als Freund...
Laru - 14. Jun, 09:24

ah daher weht der Wind..

Ist doch keine Frage von Arschloch oder nicht.
Die Frage ist eher: Willst du eine vernünftige, schöne Beziehung mit ihm? Dann schau halt, dass draus eine wird.

Funktioniert mit Ehrlichkeit meistens besser. Bzw. wird er vielleicht besser drauf reagieren, wenn du ihm das mit poly lieber gleich erzählst anstatt dass er später erst draufkommt. Sonst kann es sein, dass er irgendwann sauer und verletzt abzischen wird.
Ob er damit "im Recht" ist oder nicht ist dazu doch irrelevant, oder?

Wenn du glaubst, er kann besser damit umgehen, wenn du es später erst erzählst, und wird nicht verletzt und beleidigt sein, dass du es ihm nicht gleich erzählt hast, dann mach es so..
Hat doch nichts mit gut und böse zu tun, sondern nur mit seiner vermutlichen Reaktion und dass du ihn ganz gerne behalten würdest, oder?

Hast ja auch so schön geschrieben von den sozialen Sanktionen für "unmoralisches" Verhalten.

sarah_t - 14. Jun, 10:39

Hei Laru,

eigentlich läuft ja (noch?) nicht wirklich was zwischen uns und bis das in ausreichendem Maße geklärt is, bleibt das auch so. In einer Beziehung von Anfang an nicht ganz offen zu sein, ist schließlich wenig zielführend.

Was gut und böse angeht... ja mit ihm und mir _direkt_ hat das in der Tat weniger zu tun. Muss ich hier jetzt öffentlich zugeben, dass es mir auch schon nimmer wurscht is, was irgendwelche Leute über mich denken? Nicht unbedingt, aber die Gedanken von Freunden über mich und mein Leben haben einen weit größeren Einfluss auf die Gedanken meines Zielsubjekts (;-)), als mir das lieb ist. Und erfahrungsgemäß hat fast jeder irgendwo einen Moralapostel als Freund...

Danke fürs Mitteilen deiner Gedanken, das hilft mir immer sehr gut beim entwirren der meinen *bussi*
Laru - 16. Jun, 13:21

Läuft noch nichts? Und trotzdem schon verliebt? Tztz.. Jaja.. schon blöd, überrascht festzustellen, dass frau das mit Verliebtsein doch nicht immer so fix unter Kontrolle hat wie gedacht, und es manchmal sogar ganz ohne Sex passiert. ;)
Naja, wirst das schon hinkriegen.

Freut mich, wenn ich beim Entwirren helfen kann. Mach das gerne, besonders weil ich ja auch ganz gerne recht verwirrt bin.

Musst öffentlich zugeben? Naja, müssen nicht, aber wenns magst.. Ich kenn das von mir, dass es mich eigentlich nur dann stört, was "die Anderen" über mich denken, wenn es doch irgendwie etwas ist, wo ich nicht ganz dahinter stehen kann.

Also ich denke dir ist eh klar, dass es dir selber nicht ganz passt, wie du dich verhältst, weils gegen deine Prinzipien verstößt. Auch wenn du nicht an gut und böse glaubst, stellt ja doch jeder Mensch für sich Prinzipien auf. Und fühlt sich eben komisch, wenn sie diese Prinzipien übertritt, da helfen keine noch so guten Begründungen oder Gedankenkonstrukte.
sarah_t - 16. Jun, 18:36

hei,

du hast zwar mit alledem recht, was du sagst, aber das ist nicht, was ich meinte. mich kümmert selbst nicht, was irgendwer über mich denkt. mich kümmert nur, was derjenige zu jemandem, der mir wichtig is, über mich sagt und ob das dessen meinung beeinflusst. klarer?

ich weiß nicht, ob ich mein verliebtsein unter kontrolle hätte. ich wills auch grad gar nicht, ich fühl mich a. prinzipiell großartig und b. gewinnt schließlich nicht, wer nicht wagt ;-) ich müsste lügen, wenn ich sagte, dass ich keine angst vor verletzungen hab, aber das hält mich zumindest nicht davon ab, sie zu riskieren.
Laru unplugged (Gast) - 18. Jun, 15:27

grad deswegen hast ja Verliebtsein nie unter Kontrolle, weilst, wennst dich schon mal verliebst, dann garnicht mehr nicht-verliebt sein willst..
kannst höchstens vorher vorbeugen (musst aber aufpassen, dassd den richtigen punkt noch erwischst und es rechtzeitig merkst, bei mir immer eine knappe gschicht), oder dich entlieben, wenns wirklich wesentlich zu mühsam wird.
drewshine - 15. Jun, 11:42

mono-poly

hei sarah!

ich bin die art mensch, die von sich aus sagen kann, dass sie definitiv mono ist - sobald ein mann in meinem leben ist, interessieren mich die anderen einfach nicht mehr sonderlich. jetzt ist seit einigen wochen ein mann in meinem leben, der in einer offenen beziehung lebt.

was bedeutet das für mich? bin ich eifersüchtig, weil er eine freundin hat, die er liebt? nein, bin ich nicht, weil ich der meinung bin, dass ich nicht nur eine begrenzte menge an liebe zum verteilen zur verfügung habe. ich liebe ja auch meine familie und meine freunde, und es ist noch immer mehr als genug liebe in mir drin für weitere menschen. woran ich nage, ist, dass ich ihn nicht so oft sehen kann, wie ich gerne möchte. und dass er, wenn er die zeit nicht mit mir verbringt, sie aller wahrscheinlichkeit nach mit einer anderen frau verbringt.

das "problem" an uns monos ist, dass wir einen partner suchen, damit wir nicht mehr einsam sind. wenn ich mein leben jetzt auf einen mann ausrichte, der ein- bis zweimal in der woche zeit für mich hat, und ich die übrigen 5, 6 tage die woche alleine in meiner wohnung hocke und die wand anstarre, dann werd ich ein problem mit diesem mann bekommen. wenn ich es schaffe, die übrige woche mit anderen aktivitäten zu füllen, dann ist das problem "er hat aber nur so wenig zeit für mich" nicht mehr ganz so groß.

ich habe das große glück, dass er mir dennoch das gefühl gibt, dass ich in seinem leben präsent bin und dass ich wichtig für ihn bin. und ich habe für mich die positive seite dieses beziehungskonzeptes entdeckt: mir wird mit diesem mann nie langweilig werden und ich werde mich immer auf ihn freuen. und da ich ja die these vertrete, dass ich für mein glück eigenverantwortlich bin, liegt es an mir, dafür zu sorgen, dass ich die übrige woche auch glücklich bin.

... manchmal bringen wir mono's mehr verständnis für poly auf, als man uns zutraut ;-)

busserl!
julia

sarah_t - 16. Jun, 09:21

ja diesmal warst du es, die unser weltbild gründlich zerstört hat... ;-)
drewshine - 16. Jun, 12:03

hoffentlich nicht...

... das weltbild zerstört, sondern die perspektive modifiziert ;-).

und regeln sind dazu da, dass man sie in regelmäßigen abständen auf ihre gültigkeit überprüft ;-).

busserl!
christina_t - 17. Jun, 21:42

zur antwort von sarah an laru

irgendwie frag ich mich grad, ob dich einer interessiert, der sich von einem moralapostelfreund so stark beeinflussen laesst, dass er sich unter umstaenden gegen dich entscheidet, obwohl er dich doch offensichtlich interessant findet.
(ja, ich weiss, so einfach ist das nicht.. und freunde haben immer einfluss auf unsere beziehungsentscheidungen. verflixt, ich wuerd ja selber zumindest sehr viel kritischer auf einen zugehen, der von euch abgelehnt wuerde.)

ok, ich halt jetzt einfach mal mein maul. kommt ja sowieso grad nix gscheites raus.

Kadett - 13. Jul, 18:18

Moral

Ich glaube, das mit "Moral" verstehst du falsch. Moralische Vorstellungen hast du doch auch, und handelst nach denen. Ich sag meistens eher, "Prinzipien" seien das, was irgendwelche Menschen sich setzen, die sich nicht zutrauen, in einer Situation das richtige zu entscheiden und dann mit ihrem hehren Prinzip um die Ecke kommen. Einmal überlegt und dann nie wieder.
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